
Fünf Fragen an....

Zeit zum Reflektieren
Catharina Rahlff ist ausgebildete Schneiderin – und liebt ihren Beruf. Warum sie sich dennoch für eine berufsbegleitende Ausbildung zur Fachlehrerin entschieden hat, erzählt sie im Interview.
Warum haben Sie sich für die berufsbegleitende Ausbildungsform entschieden?
Als ich mich vor drei Jahren im Herbst am Seminar beworben habe, hatte der neue Tageskurs gerade begonnen. In der Studienberatung am Seminar hat man mir deshalb vorgeschlagen, in den berufsbegleitenden Kurs, der im Januar startete, einzusteigen. Durch meine freiberufliche Arbeit war ich flexibel und habe gedacht, ich fange damit erstmal an. Und dann wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich gar nicht mehr wechseln wollte.
Was gefällt Ihnen an dieser Kursform?
Der Unterricht findet ja an einem Abend pro Woche und an Blockwochenenden statt. Für mich ist das ein gutes Tempo, weil ich Zeit habe, über die Inhalte nachzudenken und mit anderen darüber zu sprechen. Die Gruppe ist spannend, weil wir so unterschiedliche Biographien haben und man unglaublich viele Anregungen zum Weiterdenken bekommt.
Vor allem gibt mir die berufsbegleitende Ausbildung die Möglichkeit, neue Impuls in die Schulpraxis mitzunehmen und Inhalte unmittelbar im Unterricht anzuwenden. Ich habe schon nach einem halben Jahr angefangen, an einer Waldorfschule in Schleswig-Holstein Handarbeit zu unterrichten. Mittlerweile arbeite ich in der Christophorusschule in Bergstedt und schneidere im Rahmen der Berufsvorbereitung mit Oberstufenschülerinnen und -schülern. Nebenbei kann ich auch noch kleine Aufträge freiberuflich annehmen.
Wie ist denn der Wunsch entstanden, Waldorfpädagogin zu werden?
Ich bin selber Waldorfschülerin. Nach dem Abitur brauchte ich erstmal Abstand und habe eine Ausbildung gemacht. 2010 war ich dann in Indien an einer Schule, die gerade dabei war, Waldorfpädagogik einzuführen. Meine Aufgabe war es, Epochen im Handarbeitsbereich zu geben. Die Lehrer*innen wurden dort gerade waldorfpädagogisch ausgebildet. Zum ersten Mal habe ich dadurch mitbekommen, warum in welchen Klassenstufen was gemacht wird. Das hat mich total vom Hocker gehauen.
Seit dreizehn Jahren engagiere ich mich außerdem im Zirkusprojekt Ubuntu. In der Jugendarbeit habe ich gemerkt, welchen Spaß mir die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht. Deshalb habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, beide Bereiche miteinander zu verbinden.
Was gefällt Ihnen an der Ausbildung gut, was weniger gut?
Für mich hat sich in den drei Jahren der Blick geweitet. Ich war am Anfang viel engstirniger und wollte vor allem, dass meine Unterrichtsstunde gut wird und die Schülerinnen und Schüler ein gutes Ergebnis abliefern. Natürlich soll das Ergebnis schön sein, wenn aber die Jugendlichen nicht wirklich daran beteiligt sind, hat es keinen Sinn. Es müssen nicht alle am Werkstück sitzen und ruhig sein. Wer das nicht so gut kann, dem muss ich auch nicht helfen, damit es fertig wird, sondern schauen, was bei den Kindern gerade los ist. Mittlerweile gehe ich mit einer neuen Haltung in den Unterricht, bei der die Frage nach der Teilhabe im Vordergrund steht.
Die meisten Impulse habe ich dafür aus dem inklusiven Ansatz am Seminar bekommen. Für mich ist das Entscheidende in der inklusiven Waldorfpädagogik die Frage nach dem Warum. Warum mache ich das? Da musste ich erstmal umdenken. Wenn ich das weiß, kann ich auch etwas machen, was es schon seit hundert Jahren gibt. Und dann merkt man, dass man einen Blick für das Wesentliche bekommt, für den Menschen.
Teilhabe zu ermöglichen, gehört für mich überhaupt in jede Pädagogik. Das öffnet den Blick für neue Ideen und dafür, was alles möglich ist und wie weit man Gewohnheiten aufbrechen kann, um Neues zu machen. Ich würde mir wünschen, dass der Ansatz noch stärker im Unterricht am Seminar praktiziert wird, damit die Studierenden in diesen Habitus besser hineinwachsen können.
Manchmal hätte ich mir auch eine intensivere Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner gewünscht. Auf der anderen Seite finde ich es aber gut, dass die Ausbildung sehr freilassend und breitgefächert war.
Sie stehen kurz vor ihrem Abschluss. Gibt es rückblickend etwas wie einen besonderen Moment in Ihrer Ausbildung?
Eigentlich ist jedes Wochenende voller Aha-Momente. Insgesamt gab es viele Situationen, in denen ich gedacht habe: „Wow“. Am stärksten sind solche Momente in den Künsten. Bei der Sprachgestaltung zum Beispiel, wo Gesten zu etwas führen, von dem man gar nicht erwartet hätte, dass man so etwas selber ausdrücken kann. Und beim Dirigieren habe ich auch erlebt, wie ich zu etwas fähig bin, von dem ich vorher nichts wusste.