
Fünf Fragen an....

Waldorfpädagogik in Taiwan
Hornfay Cherng, der 2008 gemeinsam mit unserem Dozenten Dr. Gunter Keller das Lehrerseminar an der National Hsinschu University for Education gegründet hat, über die Chancen interkultureller Zusammenarbeit, die Rolle der Eltern und die Bedeutung der Waldorfpädagogik in Taiwan:
Herr Cherng, vor etwa 10 Jahren haben Sie gemeinsam mit Ihrem deutschen Kollegen Gunter Keller das Lehrerseminar in Taiwan aufgebaut. Welche Bedeutung hat die Waldorfpädagogik in Taiwan heute?
Die Schulen in Taiwan folgen einerseits dem westlichen Schulmodel mit elementary school, junior and senior high school. Andererseits ist die Art, wie in der Schule gelernt wird noch stark von einem traditionellen Lernen geprägt. Das bedeutet, dass die Kinder sehr viel auswendig lernen müssen und der Schulalltag dadurch von Tests und Prüfungen geprägt ist.
Die Waldorfpädagogik setzt da ganz andere Schwerpunkte und möchte nicht nur Fachkompetenzen ausbilden, sondern auch soziale Kompetenzen, Methodenkompetenz sowie Kreativität und Fantasie.
Waldorfpädagogik hat somit in Taiwan Laborcharakter und die Aufgabe, neue Lernformen zu erforschen und zu entwickeln.
Wer interessiert sich für die Waldorfpädagogik?
Eigentlich sehr viele Menschen, Lehrer, Wissenschaftler, Schulleiter und vor allem Eltern. Wissenschaftler sind an reformpädagogischen Ansätzen interessiert. Lehrer erleben in ihrer Arbeit, dass Schüler keine Freude am Lernen haben und viele die Schule mehr oder weniger über sich ergehen lassen. Lehrer fühlen sich teilweise einem Zwangssystem von vorgegebenen Inhalten und Tests ausgesetzt und erleben sich nicht mehr als Mensch, sondern als Maschine.
Die Eltern, und das ist besonders bemerkenswert, sind eigentlich die Hauptfaktoren. Sie erleben wie ihre Kinder in der Schule leiden und wie sie keine Freude haben. Auch bemerken sie, dass ihre Kinder zwar vieles lernen müssen, aber wenig verstehen. An diesem Punkt erinnern sich die Eltern, wie sie selber in der Schule gelitten haben und suchen so für ihre Kinder nach anderen Schulformen.
Werden Waldorfschulen in Taiwan vom Staat unterstützt?
In Taiwan gibt es im Prinzip zwei unterschiedliche Typen von Waldorfschulen. Es gibt mehrere kleinere und auch einige größere private Waldorfschulen, die sich aber vollständig selber finanzieren müssen, d. h. dass das Schulgeld sehr teuer ist und dann die Schulen nur für Schüler aus wohlhabenden Familien offen stehen.
Da unser Center für Waldorfpädagogik an der Universität in Hsinchu und auch ich eher für eine Schule für alle eintreten, ist für uns auch der Weg einer staatlichen Waldorfschule interessant. Dabei gibt es einerseits Schulen die noch stark unter staatlicher Aufsicht stehen. Andererseits ist es uns aber auch gelungen, mehrere Schulen, also reformpädagogische Schulen genehmigt zu bekommen, die dann relativ frei sind, aber dann die volle finanzielle Unterstützung des Staates erhalten.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Waldorfschulen und damit die Lehrerausbildung in Taiwan?
Die privaten Schulen haben, wie ich ja bereits angedeutet habe, große finanzielle Sorgen und die Klassen werden vor allem in den höheren Klassenstufen recht klein. Die Waldorfschulen stehen vor der Aufgabe, die bewährte Praxis der deutschen Schulen so zu verändern, dass sie unsere südostasiatische Kultur miteinschließt.
Eine typisch taiwanesische Waldorfpädagogik gibt es nicht. Vielmehr erproben Waldorfschulen an Unterrichtsfächern kulturelle und sprachliche Themen. Einige Schulen versuchen, den europäischen Kontext zu erhalten, andere entwickeln bewusst einen Lehrplan mit asiatischem Charakter. In jedem Fall haben wir noch einen weiten Weg vor uns, weil sich unsere Sprache und die kulturellen und historischen Erfahrungen deutlich von denen westlicher Traditionen unterscheiden.
Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Seminar?
Unsere Ausbildungen werden zur Zeit in erster Linie von Lehrern aus Deutschland unterstützt und gegründet. Die Lehrinhalte entsprechen größtenteils in Methodik und Inhalt den deutschen. Ihr Seminar ist etabliert, wir werden daher von den wertvollen Erfahrungen profitieren. Deshalb freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit den Hamburger Kollegen.
Es gibt aber, wie gesagt, in Bezug auf Sprache und Kultur Unterschiede. Perspektivisch wünschen wir uns deshalb, dass taiwanesische Dozenten unterrichten und den Lehrplan weiterentwickeln. Auch hierbei bietet die Kooperation mit Hamburg wunderbare Möglichkeiten zum interkulturellen Verständnis.
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